Kapitel 9

Professor Shaktyran und Rögn verband eine lose Freundschaft. Beide hatten zwar eine historisch verwandte Anhängerschaft gehabt, aber ihre Wege sich wieder an einen Kult rückzukoppeln waren unterschiedlich. Als sie damals aus der UDSSR in die USA auswanderten hatten sich ihre Wege getrennt. Der Professor fand mit seinen Einblicken in die sowjetische Forschung und Propaganda schnell Zugang, zunächst bei der US Army und dann bei namhaften Universitäten des Landes im Bereich der Hirnforschung. Mit der Dotcom-Blase gründete er daneben eine eigene Firma, die den Crash überlebte und mit der er Computerspiele auf den Markt brachte.

Die vergangenen Jahre sahen sie sich unregelmäßig auf den Treffen der Selbsthilfegruppe. Nachdem „Rögn´s – World Rattle“ in den Kinos angelaufen war erhielt Rögn ein Anruf von Shaktyran, der ihn zum dem großartigen Erfolg beglückwünschte, was ihm schmeichelte, obwohl er streng genommen mit dem Film, außer Namensgeber zu sein, nicht zu tun hatte. Des Weiteren teilte er ihm mit, dass er in Kürze in Reykjavik einen Zwischenstopp machen würde und sie sich unbedingt sehen müssten.

Sie trafen sich in einer Cocktailbar mit Südsee-Einrichtung. Rögn erzählte von dem Desaster mit den Touristen beim Thermalbad.

„Pass auf!“ sagte ihm der Professor mit seiner Nase zwischen Sonnenschirmchen und Palmen auf kleinen Spießen, die in Konservenobst steckten, was in einem bunten Alkohol schwamm. “Du wirst zurück zu den Menschen kommen! Wir finden im Kopf statt und in die Köpfe, in die Gehirne müssen wir wieder rein. Andere Impulse, die wir damals nicht verstanden hatten, haben uns rausgeworfen. Jetzt erobern wir uns die vorderen Frontallappen zurück und nicht nur für fünfzehn Minuten Berühmtheit wie Warhols Suppendose, wir wollen 15.000 Jahre. Wir werden nur dann wieder Herren unserer Zeit, wenn wir mit ihr gehen, wenn wir es verstehen die Belohnungszentren wieder zu aktivieren, wir müssen für Dopamin sorgen, für chemische Formeln im Gehirn.“

Rögn verstand nicht.

„Pass auf!“, sagte Professor Shaktyran noch einmal. „Dein Film „Rögn´s World Rattle“ wird ein Videogame, dass größte, teuerste und aufwändigste, was es jemals gab. Die Story: Die Welt der Spieler, eine Art Erde in der Zukunft, wird von den wild gewordenen Jöngaeichen bedroht, die sich für die ganze Zerstörung der Natur rächen und sich dabei selbst mit der Technik verbündet haben. Alleine wuchern sie die Welt zu und erdrücken alles Leben. Alle Waffentechnik, die man gegen sie anwendet macht sie nur noch stärker. Es ist wie die Rögn-Comics der Zukunft. Games sind das Ding. Neunzig Milliarden Euro Umsatz, Tendenz steigend. Film ist ok, man kann mitfühlen und bekommt Hirnareale stimuliert, ist aber statisch und wir kommen da nicht rein.“ Er tippte sich mit dem Papierschirmchen gegen die Stirn. „Bei dem Game müssen die Spieler die Welt verlassen und Rögn aufsuchen. Der sitzt im Mittelpunkt des Universums und den, also Dich, müssen die Spieler suchen und finden innerhalb von 16 Trillionen Planeten, die sich ad hoc generieren, wenn man auf ihnen landet. Nur wenn man Rögn treu ist und die Aufgaben in seinem Sinne löst, kann man ihn und den Mittelpunkt überhaupt finden, und pass auf, dann kommt der Clou. Wenn man bei ihm ist verbündet er sich mit dem Spieler indem er ihm einen Teil seiner Rüstung gibt, ein Helm mit einer Virtual-Reality-Brille und Dioden mit Magnetspulen über den Hirnlappen. Damit aktivieren wir die Glaubenszentren und umso mehr die aktiviert werden, umso besser geht es im Spiel und zack, da haben wir sie endlich wieder die Verbindung im Kopf, im Hirn, das Verschmelzen mit der Gottheit. Hat die Hirnforschung erwiesen: stimuliere die Frontallappen mit Magneten, setz die Leute in eine Umgebung ohne äußere Reize und schon haben die Leute mystische Erfahrungen, sie spüren eine Präsenz, spüren Gott, aber eben nicht irgendeinen, sondern Dich werden sie wieder spüren, so als hätte das Christenpack unsere Lande nie verwüstet. Wenn die Avatar-Krieger fallen und genug Mystik-Punkte haben, dann sterben sie eben nicht, sondern erwachen bei Rögn, in Walhall quasi, baden im Wasser, ihre bisheriges Spieleleben zieht an ihnen vorbei und sie bekommen den Helm.“

„Aber es ist ein Spiel und man weiß, dass es ein Spiel ist.“

„Rögn, Du frustrierst mich. Es macht im Hirn keinen Unterschied. Die Menschen werden meinen mit dem Gott etwas zu erreichen, denn pass auf: wir werden ihnen an den zentralen Stellen des Spieles, wo Du in Erscheinung trittst, wo Du den Menschen hilfst die Aufgaben zu meistern, Magnetwellen durch die Frontallappen jagen und dadurch werden die Leute fokussierter werden, Erfahrungen machen. Religiöse Erfahrungen machen. Das haben die Studien herausgefunden. Und da die Forschung sich streitet, ob es einfach etwas damit zu tun hat, ob man von vorne herein religiös denkt und dann eben Erfahrungen auch religiös interpretiert erzeugen wir genau das während des Spiels, davor, durch unsere Reise durch die Galaxis. Wir bringen die Spieler auf Kurs, auf Glaubenskurs, auf Linie, auf Hirnstromlinie. Immersion. Die Absolute. Die Spielzüge der Spieler richten wir anhand der Mystik-Skala aus, das ist ein Testverfahren, um religiöse Prädisposition zu messen und umso mehr sich die Spielzüge daran orientieren, um so bessere Ergebnisse haben die Spieler, also mehr Mystik führt zu mehr Scores.

Rögn, guck wie gut es Dir durch die Filme schon geht - und die sind nur passive Immersionen! Was glaubst du was passiert, wenn die Spieler mit ihrer eigenen Persönlichkeit teilnehmen!

Die Magnetspulen an den Frontallappen verursachen das Gefühl der Anwesenheit einer Präsenz, eines Wesens, möglicherweise beeinflusst durch Prädisposition, diese Prädisposition wird innerhalb des Spieles ausgebaut, den Helm gibt es dann vom Gott selbst und anstatt Deprivation während der transkraniellen Magnetstimulation gibt es 3-D-Bilder mit Dir als Kriegsgott oder so!

Die 3-D-Bilder verknüpft mit Spielzügen bauen neuronale Muster auf in einer Art, wie wir es uns bisher nicht vorstellen können. Weißt du, es gibt Querschnittsgelähmte, die wieder laufen können, weil sie in 3-D stimuliert worden sind! Mit einer Software, einem externen Skelett und VR-Technologie können Gelähmte teilweise Bewegungen und Gefühl wiederherstellen.

Unser Helm ist erst der Anfang! Wir werden dann noch weitere Rüstungsteile nachliefern, einen Arm zum Kämpfen, Waffen...der Effekt im Hirn wird der gleiche sein. Wir, die Götter strömen durch die Neuronen, wir überwachen und belohnen und strafen! Alles im Hirn hinterlässt eine Spur. Wir setzten uns ab wie ein Sediment, bauen uns wieder auf in den Köpfen wie Tropfsteinhöhlen, wir schaffen neue neuronale Verbindungen, wir werden wieder Teil der Evolution! Wir kreieren neue neuronale Muster, wir setzen die Fraktale, wir haben die Zeit hinter uns, die richtige Zeit zum Wachsen. Sie werden uns zufliegen, weil sie nur auf den Moment denken, wir aber langfristig planen können.

Wir machen die Geschichten. Geschichten beeinflussen das Denken! Wir setzten die neuen richtigen Dopaminstöße, viele sind abhängig von ihrem Belohnungszentrum, von den

 likes und pings auf ihren Smartphones, da grätschen wir rein! Mit der virtuellen Realität und den Hirnströmen erschaffen wir wieder diesen ewigen Zusammenhang mit der Menschenwelt. Früher haben sie uns von sich aus ihre Erfahrungen und Gedanken mitgeteilt. Wir waren ihre Projektionsfläche. Die holen wir uns zurück, indem wir jetzt ihre Erfahrungen, Motivationen und Handlungen in Echtzeit einfangen und selber formen und gestalten und verwenden. Wir sind im neuen goldenen Zeitalter!“

Rögn stolperte den Worten des Professors hinterher. Dieser holte einen Schuhkarton aus seiner Tasche, blickte kurz zu den Seiten, dass ihn niemand beobachtete und holte dann einen silbernen Helm hervor, der die Form eines halben Eis mit einen Nasenleiste hatte. Über den Schläfen hatte er jeweils einen Höcker aus denen kurze Hörner wuchsen. Als Visier hatte er eine 3D-Brille.

„Da unter den Höckern – da sitzen die Magnetspulen. Die Impulse sind so sanft, dass sie es nicht einmal merken werden.“

 

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